Warum die Selbstregulationsfähigkeit von Eltern so wichtig ist
Sich hilflos zu fühlen und in Stresssituationen überzureagieren, ist vielen Eltern nur allzu bekannt. Vielleicht kennst du das auch: du möchtest deine Kinder eigentlich geduldig und bedürfnisorientiert begleiten aber immer mal wieder überrollen dich deine Gefühle. Besonders schmerzhaft ist es für alle (für dich hinterher ja auch) wenn die Wut von dir besitzt ergreift.
Hast du ich auch schon gefragt, warum es dir so schwer fällt geduldig und liebevoll zu bleiben und warum du nichts dagegen tun kannst wenn dich die Wut überrollt, obwohl du es eigentlich gar nicht willst?
Besonders wenn wir auf die Thematik der Entwicklungstraumata schauen, unserer eigenen und der, die wir so unabsichtlich an unsere Kinder weitergeben weil wir uns nicht richtig regulieren können, lohnt es sich, sich tiefer mit dem Thema Selbstregulationsfähigkeit zu beschäftigen und die notwendige innere Arbeit zu tun. Denn Kinder lernen Selbstregulation, also den Umgang mit ihren Gefühlen, durch Co-Regulation von ihren Eltern. Daher ist die entscheidende Frage: wie gut kannst du dich regulieren?
Aber jetzt mal der Reihe nach:
Was ist Selbstregulation?
Selbstregulation meint die Fähigkeit Gefühle und Bedürfnisse, Gedanken und Trigger im Körper zu halten – ohne direkt impulsiv zu reagieren. Es bedeutet eine Pause machen zu können zwischen dem Reiz der von Außen kommt (z.B. in Form eines Menschen oder einer Gegebenheit) und deiner Reaktion darauf.
Selbstregulation meint die Fähigkeit bewusst und achtsam die eigenen Gefühle wahrnehmen, annehmen und durchfühlen zu können – bis sie sich wieder beruhigt und gelöst haben und sich hilfreiche Erkenntnisse zeigen können.
Selbstregulation hilft dabei Konflikte in der Tiefe wahr- und anzunehmen und sie zu nutzen, tiefere Verbundenheit herzustellen.
Selbstregulation ist also eine äußerst wichtige Fähigkeit für unser Leben. Sie nicht zu haben, erzeugt viel Frust, Streit und Leid.
Warum die Selbstregulationsfähigkeit von Eltern oft fehlt
Die Fähigkeit zur Selbstregulation fehlt vielen Menschen auf Grund ihrer Entwicklungstraumata, denn Selbstregulation lernen wir durch Co-Regulation in der Kindheit.
Ein Kind wird in das Nervensystem der Mutter aufgenommen und lernt durch ihre Co-Regulation (oder später auch durch anderer Bezugspersonen) Gefühle und Bedürfnisse zu fühlen, ohne sie zu verdrängen oder Angst davor zu haben. Ein Kind lernt durch Co-Regulation im Idealfall ganz einfach den Umgang mit Gefühlen. Es trainiert damit auch sein Nervensystem darauf, Gefühle in allen Facetten nicht als Gefahr wahrzunehmen.
Da unsere Eltern dies aber oft nicht konnten, fehlt uns diese Fähigkeiten.
Die gute Nachricht ist, du kannst die Selbstregulation lernen – ich zeige dir gerne wie.
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Das nervliche Toleranzfenster
Vor Kurzem sprach ich mit einer Mutter, die sich immer wieder dabei ertappte, in Stresssituationen mit ihrem Kind überzureagieren.
Sie bemüht sich sehr bedürfnisorientiert zu sein doch wenn ihr kleiner Sohn einen Wutanfall bekommt, merkt sie, wie ihre eigene Ungeduld und Frustration hochkochen. Sie weiß, dass sie geduldig sein sollte, aber ihr Nervensystem überrollt sie dann regelmäßig und sie schreit ihr Kind an, obwohl sie das gar nicht will.
Sie erzählte mir, wie sehr sie sich danach schämte und wie sehr sie sich wünschte, anders reagieren zu können. Doch sie fühlt sich gefangen in einem Teufelskreis aus Emotionen und kann sie nicht kontrollieren.
Oft wissen wir rational, wie wir als Eltern gerne sein und reagieren würden, aber unser Nervensystem kann uns blitzschnell in den „Kampfmodus“ versetzen ehe wir bis zehn zählen konnten. Bestimmt kommt dir das bekannt vor, oder?
Fragst du dich auch, warum du da so machtlos bist trotz guter Vorsätze und besseren Wissens?
Warum dich deine Gefühle überrollen
Das Toleranzfenster, oft auch als „Window of Tolerance“ bezeichnet, definiert den emotionalen und psychologischen Zustandsbereich, in dem eine Person am besten in der Lage ist, auf Stressoren zu reagieren, ohne überwältigt zu werden. Innerhalb dieses Fensters können Menschen effektiv auf Reize und Informationen reagieren, ihre Emotionen regulieren und ein Gefühl von Verbundenheit und Präsenz aufrechterhalte.
Wenn die Reize von außen dein nervliches Toleranzfenster strapazieren und über deine Grenzen gehen, stellt dein Nervensystem auf Kampf- oder Flucht. Beides drückt sich in Wut aus. Wir reagieren impulsiv und emotional, selbst wenn wir eigentlich anders handeln möchten.
Wenn das Toleranzfenster einer Person sehr klein ist, hat das erhebliche Auswirkungen auf ihr emotionales und psychologisches Wohlbefinden. Ein kleines Toleranzfenster bedeutet, dass die Bandbreite, in der eine Person Stressoren bewältigen kann, ohne in Über- oder Untererregung zu geraten, sehr eingeschränkt ist. Dies führt zu verschiedenen Veränderungen und Folgen im Leben:
- Schnellere Überforderung: Personen mit einem kleinen Toleranzfenster gelangen schneller in Zustände der Übererregung (Angst, Panik) oder Untererregung (Rückzug, Niedergeschlagenheit), da sie weniger fähig sind, mit alltäglichen Stressoren umzugehen.
- Emotionale Instabilität: Ein kleines Toleranzfenster kann zu emotionaler Instabilität führen, da die Person schneller von ihren Emotionen überwältigt wird und Schwierigkeiten hat, diese zu reguliere.
- Stress im Berufsleben: Die Anpassung an den Berufsalltag kann für Menschen mit einem kleinen Toleranzfenster herausfordernder sein, da sie weniger resilient gegenüber den Belastungen und Herausforderungen des Arbeitslebens sind.
- Langfristige Folgen: Langfristig kann ein kleines Toleranzfenster zu ernsthaften psychischen Problemen führen, einschließlich Angststörungen und Depressionen, insbesondere wenn stressige Situationen ohne angemessene Unterstützung erlebt werden.
Wenn Eltern ein kleines, enges Toleranzfenster aufweisen, kann dies zu einer Reihe von Herausforderungen in der Familienumgebung führen:
- Wechselseitige Beeinflussung von Toleranz und Intoleranz: Die Toleranz oder Intoleranz der Eltern kann sich wechselseitig auf die Kinder auswirken, wodurch ein Zyklus von Stress und emotionaler Instabilität in der Familie entsteht. Dies kann die Entwicklung eines gesunden Selbstregulierungsvermögens bei Kindern beeinträchtigen.
- Toxische Elternschaft: Überfürsorglichkeit oder toxisches Verhalten der Eltern, das oft mit einem kleinen Toleranzfenster einhergeht, kann das Leben der Kinder langfristig beeinflussen. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der emotionalen und sozialen Entwicklung des Kindes.
- Mangelnde Frustrationstoleranz bei Kindern: Kinder, die in einem Umfeld mit geringer Toleranz aufwachsen, tendieren dazu, selbst eine niedrige Frustrationstoleranz zu entwickeln. Dies kann Schwierigkeiten in ihrer sozialen Interaktion und emotionalen Regulation nach sich ziehen.
Ein kleines Toleranzfenster der Eltern kann also die Fähigkeit der Kinder, mit Herausforderungen umzugehen, die emotionale Resilienz und die Entwicklung gesunder zwischenmenschlicher Beziehungen beeinträchtigen.
Die Macht des autonome Nervensystems
Das autonome Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk aus Nervenzellen, das im gesamten Körper verteilt ist. Es hat zwei Hauptaufgaben: die Reizwahrnehmung, -verarbeitung und -weiterleitung sowie die Steuerung von Reaktionen. Diese Funktionen ermöglichen es dem Körper, mit der Umwelt zu interagieren, auf Veränderungen zu reagieren und lebenswichtige Prozesse wie Atmung, Herzschlag und Muskelbewegungen zu reguliere.
Zwei Teile des Nervensystems
Das Nervensystem lässt sich in zwei Hauptteile gliedern: das zentrale Nervensystem (ZNS), bestehend aus Gehirn und Rückenmark, und das periphere Nervensystem (PNS), das die Nerven umfasst, die den Rest des Körpers mit dem ZNS verbinden. Das PNS ist weiter unterteilt in das somatische Nervensystem, das die willkürliche Kontrolle über Muskeln ermöglicht, und das autonome Nervensystem, das unwillkürliche Funktionen wie die Herzrate und die Verdauung steuert.
Wie psychologische Prozesse und Umwelterfahrungen dein Nervensystem formen
Auf psychologischer Ebene spielen verschiedene Faktoren eine Rolle bei der Entwicklung und Ausbildung des Nervensystems:
Gedanken und Emotionen: Die psychologischen Zustände wie Gedanken und Emotionen können das Nervensystem beeinflussen, da sie mit biochemischen Veränderungen im Gehirn verbunden sind. Diese Veränderungen können die Struktur und Funktion des Nervensystems und damit das Bewusstsein beeinflusse.
Höhere geistige Aktivitäten: Geistige Prozesse wie Ich-Bewusstsein, Imagination und Sprache sind eng mit der Funktion des Nervensystems verknüpft. Die Frage, wie das Gehirn Geist und Bewusstsein hervorbringt, betrifft die komplexen Wechselwirkungen zwischen neurologischen Strukturen und psychologischen Funktione.
Lernprozesse: Lernprozesse und die Erfahrung der Umwelt beeinflussen die Entwicklung des Nervensystems erheblich. Forschungen zeigen, dass Lernprozesse die Sensitivität und Struktur der synaptischen Verbindungen im Gehirn verändern können, was auf eine enge Verbindung zwischen psychologischen Erfahrungen und der physischen Struktur des Gehirns hindeute.
Sozialisierung und Erziehung: Die Interaktion mit der Umwelt, insbesondere durch Erziehung und Sozialisierung, spielt eine wesentliche Rolle bei der Formung der kognitiven und emotionalen Entwicklung, die wiederum die Ausbildung des Nervensystems auf psychologischer Ebene beeinflusst.
Kraftvolle Gegenspieler: Die dynamische Balance von Sympatikus und Parasympathikus
Sympatikus und Parasympathikus sind zwei zentrale Teile des vegetativen (autonomen) Nervensystems, die verschiedene Funktionen im Körper regulieren und in der Regel als Gegenspieler fungiere.
Sympathikus:
Der Sympathikus bereitet den Körper auf Aktivität und Stresssituationen vor („Kampf-oder-Flucht“-Reaktion). Er steigert die körperliche Leistungsfähigkeit, indem er beispielsweise die Herzrate erhöht, die Pupillen erweitert und die Energiebereitstellung förder.
Bei körperlicher oder emotionaler Beanspruchung wird der Sympatikus aktiviert, um den Körper in einen Zustand erhöhter Leistungsbereitschaft zu versetze.
Parasympathikus:
Im Gegensatz dazu ist der Parasympathikus für Ruhe, Erholung und die Regeneration des Körpers zuständig. Er fördert entspannende Prozesse wie die Verlangsamung der Herzrate, die Förderung der Verdauung und die Energiekonservierung.
Der Parasympathikus wird in ruhigen, stressfreien Momenten aktiviert und hilft dem Körper, sich zu erholen und Energie für zukünftige Aktivitäten zu speicher.
Beide Systeme sorgen zusammen für ein Gleichgewicht im Körper, indem sie je nach Situation aktiviert werden, um eine optimale Anpassung an innere und äußere Bedingungen zu ermöglichen.
Das weiß leider kaum jemand: Babys können sich nicht selbst regulieren!
Wusstest du, dass ein Neugeborenes noch keinen ausgebildeten Parasympatikus hat und sich deshalb nicht selbst beruhigen kann? Es ist physiologisch einfach noch nicht dazu in der Lage.
Die Frage, die wir uns daher stellen sollten, lautet: Wie flexibel und gut ausgebildet ist unser eigenes Nervensystem? Wie groß ist unser Toleranzfenster?
Eine gut regulierte Mutter kann ihr Baby in kürzester Zeit, oft schon in maximal 10 Minuten, beruhigen. Das ist ein Geschenk der Natur, das die Bindung zwischen Mutter und Kind stärkt.
Aber was genau passiert bei der Co-Regulation und was hat das mit unserem Nervensystem und unserem Toleranzfenster auf sich? Das erfährst du jetzt.
Ein Beispiel für Co-Regulation
Meine Tochter war aufgebracht und weinte. Wir kuschelten uns zusammen ins Bett und ich begann tiefe Atemzüge in den Bauch zu nehmen. Nach wenigen Sekunde beruhigte sie sich und war kurz danach eingeschlafen.
Auswirkungen von Entwicklungstraumata auf das Nervensystem
Entwicklungstraumata, die während kritischer Phasen der Kindheit entstehen, haben signifikante und langfristige Auswirkungen auf die Ausbildung und Funktion des Nervensystems. Sie führen zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit des Kindes, sich selbst zu regulieren, was sowohl emotionale als auch körperliche Prozesse umfasst.
Durch den anhaltenden Stress, der unerfüllte Bedürfnisse und fehlende Co-Regulation ensteht, wird die Entwicklung der Selbstregulierungskräfte des Nervensystems gestört. Dies kann die Fähigkeit des Individuums beeinflussen, im Hier und Jetzt präsent zu sein und angemessen auf soziale und emotionale Herausforderungen zu reagieren.
Solche Entwicklungstraumata können auch dazu führen, dass sich spontan Verhaltensweisen sozialen Engagements verändern oder beeinträchtigt werden, da das Nervensystem unter dem Einfluss von Traumata weniger effektiv auf Umweltreize reagieren kann. Die notwendige Regulation des Nervensystems im Beisein anderer wird somit erschwert, was die sozialen Beziehungen und die Fähigkeit zur Bildung von Gemeinschaften beeinträchtigen kann.
Einfluss von Schwangerschaft und Geburt auf das Nervensystem
Auch das Befinden der Mutter während der Schwangerschaft hat einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung des Embryos und insbesondere auf die Ausbildung seines Nervensystems. Studien zeigen, dass emotionale und physische Zustände der Mutter, einschließlich Stress, Ernährung und allgemeines Wohlbefinden, direkte Auswirkungen auf das Wachstum und die Entwicklung des Nervensystems des Embryos haben können.
Während der Schwangerschaft
Die Entwicklung von Gehirn und Nervensystem des Embryos beginnt bereits in der 3. Schwangerschaftswoche und ist bis zum Ende der 8. Woche fast vollständig ausgebildet. Stress und emotionale Zustände der Mutter können über Hormone und andere biochemische Wege das Wachstum und die Funktionsweise des embryonalen Nervensystems beeinflussen.
Während und durch die Geburt
Der Geburtsprozess selbst ist ein kritischer Zeitpunkt für das Nervensystem des Kindes. Stresslevel der Mutter während der Geburt können ebenfalls Einfluss auf das Wohlbefinden und die Stressreaktion des Neugeborenen haben. Die Interaktionen und das emotionale Umfeld direkt nach der Geburt spielen eine wesentliche Rolle bei der weiteren Entwicklung des Nervensystems und der emotionalen Regulierung des Kindes.
Wie sieht Selbstregulation konkret aus?
Ein persönliches Beispiel für Selbstregulation
Letztens wurde ich im Kindergarten angesprochen. Die Erzieherin gab mir einen Brief und die Infos, dass am x. der verpflichtende Termin für die ESU meiner Tochter sei.
Auf dem Umschlag in rot stand, was alles VERPFLICHTEND mitgebracht werden sollte.
Sofort stieg mein Puls. Ich spürte wie sich mein Körper verspannte, in meiner Brust wurde es eng. Mein System witterte Lebensgefahr und bereitete sich auf den Kampf vor
Doch ich stoppte es. Ich schickte EINEN GEDANKEN an mein System und sofort beruhigte es sich wieder. Mein Puls normalisierte sich, mein Körper entspannte sich und ich konnte entspannt, ohne die vorherige Angriffslust, den Brief und die Info in Empfang nehmen.
Das war nicht immer so. Früher hätte ich nun nächtelang nicht geschlafen, wäre tagelang gereizt und mit Kopfkino abgelenkt gewesen und hätte Zeit und Energie darauf verwendet zu schauen, wie ich aus der Nummer raus komme.
All das ist jetzt nicht mehr nötig. Ich spüre ganz schnell, wenn alte Mechanismen einsetzen und kann sie MIT EINEM EINZIGEN GEDANKEN wieder beruhigen. Das ist pure Freiheit und innerer Frieden.
All das kam nicht über Nacht. Ich mache seit 8 Jahren Innere Arbeit. Damals nahm ich mir eine gute Coachin und Prozessbegleiterin und seit dem hat sich meine Welt um 179 Grad gedreht.
Die Macht und Magie der Inneren Arbeit ist unbeschreiblich, man kann es nur selbst erleben.
3 persönliche Beispiele für Selbstregulation
In dieser Podcastfolge gebe ich dir 3 persönliche Beispiele von Situationen in denen meine Selbstregulationsfähigkeit mir geholfen, hat mich nicht von meinen Triggern überrollen zu lassen und präsent und emphatisch in Beziehung bleiben zu können.
Gute Nachrichten: du kannst dein Nervensystem trainieren!
Die gute Nachricht ist: Du kannst dein Nervensystem trainieren und die Fähigkeit entwickeln, deine Gefühle zu regulieren. Durch innere Arbeit lässt sich das Toleranzfenster wieder größer, flexibler und schwingender machen und ermöglicht dir, deine Kinder geduldig, emphatisch und liebevolle zu begleiten. Zu meinem Angebot